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Aus dem Gleichgewicht

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RND-ILLUSTRATION: PATAN

Eine Störung des Hormonhaushalts kann krank machen – doch sie wird oft nicht erkannt. Behandeln sollte sie ein Facharzt für Endokrinologie

Von Irene Habich   Matthias Weber leitet die Abteilung für Endokrinologie der Universitätsmedizin Mainz und ist Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE). Er sagt: „Hormone spielen im gesamten Organismus eine wichtige Rolle, deshalb können Hormonstörungen praktisch jedes Organ betreffen. Die hormonbildenden Drüsen des Körpers können entweder zu viel, zu wenig oder keine Hormone mehr produzieren. Es kann aber auch sein, dass der Körper zu schwach oder zu stark auf ein bestimmtes Hormon reagiert.“Störungen durch HormonmangelUnd eine Störung im Hormonhaushalt könne im schlimmsten Fall lebensbedrohlich sein. So wie die Krankheit Diabetes: Dabei produziert die Bauchspeicheldrüse entweder zu wenig Insulin, oder die Wirkung des Hormons im Körper ist abgeschwächt. Beides führt dazu, dass Zucker aus der aufgenommenen Nahrung nicht mehr in die Zellen des Körpers transportiert werden kann und sich im Blut anreichert. Auch eine Schwäche der Nebennieren, die unter anderem das Hormon Kortisol produzieren, kann gefährlich werden. Allerdings kommt sie deutlich seltener vor. Ebenso hat ein ausgeprägter Mangel der Sexualhormone Östrogen oder Testosteron schwere Folgen für die Gesundheit.

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1000 Hormone gibt es mindestens, vermuten Wissenschaftler. Davon sind aber erst etwa 100 bekannt. Der Körper produziert sie selbst oder lässt sich durch Umweltfaktoren beeinflussen. Haben wir von einem Hormon einen zu hohen oder zu geringen Anteil im Blut, bekommen wir das zu spüren.

In anderen Fällen ist die Hormonstörung selbst nicht unbedingt lebensgefährlich, deutet aber auf eine ernste Krankheit hin. Ein Überschuss des Hormons Kortisol beispielsweise kann durch einen bösartigen Tumor der Nebenniere verursacht werden.

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Hormonspiegel dürfen unterschiedlich sein

Die Diagnose von Hormonstörungen ist kompliziert, es gibt keine absoluten Normwerte. Der gleiche niedrige Hormonspiegel kann bei einem Patienten zu Mangelsymptomen führen – ein anderer kommt gut damit zurecht. „Der Endokrinologe betrachtet daher immer den Patienten als Ganzes“, sagt Weber. Von Selbsttests aus dem Internet, die Hormonspiegel aus einer Speichelprobe bestimmen, sei daher unbedingt abzuraten: „Ein Hormonmangel sollte vom Spezialisten bestimmt werden.“ Die richtige Therapie kann dann eine Operation der veränderten Hormondrüsen sein oder eine Behandlung mit Medikamenten. Diese können die Bildung von Hormonen anregen, unterdrücken oder ihre Wirkung blockieren. Manchmal wird auch die Gabe von Hormonen nötig.

Robert Ritzel ist Chefarzt der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Suchtmedizin am Klinikum Schwabing in München. Der Professor glaubt: „Grundsätzlich wird die Bedeutung der Hormone in der modernen, schnellen Medizin gern unterschätzt. Dabei spielen sie bei fast allen Prozessen im Körper eine wichtige Rolle, beeinflussen Stoffwechsel, Psyche, Sexualtrieb und Immunsystem.“

Und einige Hormonstörungen seien gar nicht so selten. „Entzündliche Veränderungen der Schilddrüse, eines wichtigen hormonproduzierenden Organs, gibt es immerhin bei gut zehn bis 20 Prozent der Bevölkerung.“ Symptome wie Müdigkeit oder eine depressive Grundstimmung können auf eine beginnende Funktionsstörung und einen Mangel der Schilddrüsenhormone hindeuten.

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Ein belastender Alltag kann bei Frauen zu einem Ungleichgewicht der Hormone führen. FOTOS: FOTOLIA

Im Münchner Klinikum untersucht Ritzel auch regelmäßig den Hormonstatus von Menschen mit extremem Übergewicht. Und zwar um auszuschließen, dass ein Überschuss von Wachstumsoder Stresshormonen die krankhafte Gewichtszunahme verursacht hat. Wird dieser nicht behandelt, bleiben Diäten wirkungslos. Auch auf andere Weise können Hormone die Neigung zur Fettleibigkeit begünstigen. Das sogenannte Belohnungssystem des Körpers ist hormonell gesteuert. Menschen mit einer genetischen Veranlagung dazu schütten nach einem leckeren Essen mehr von dem Glückshormon Serotonin aus. „Essen wird von ihnen viel stärker als positiv empfunden, sodass sie dazu neigen, öfter und mehr zu essen als andere“, erklärt Ritzel. Gegen eine solche Veranlagung können Ärzte bis heute nur wenig ausrichten.

Äußere Faktoren nehmen Einfluss

Ritzel rät Patienten immer dann zu einer Abklärung des Hormonstatus, wenn sich deren Gesundheit plötzlich und ohne erkennbare Ursache verändert: Wenn jemand, der immer schlank war, grundlos zunimmt, Diabetes oder Bluthochdruck plötzlich neu auftreten oder sich Krankheiten mit den gängigen Therapien nicht behandeln lassen.

Die Bedeutung der Hormone wird gern unterschätzt.

Robert Ritzel, Chefarzt der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Suchtmedizin am Klinikum Schwabing in München

Thomas Konrad ist Mitgründer des Instituts für Stoffwechselforschung in Frankfurt. In seiner Praxis für Endokrinologie behandelt der Professor zudem Privatpatienten. Bei der Diagnose ist es ihm wichtig, ein Ungleichgewicht im Hormonhaushalt nicht gleich als Krankheit anzusehen. Denn längst nicht immer hat es eine biologische Ursache. Bei Männern im mittleren Alter mit einem niedrigen Spiegel des Sexualhormons Testosteron etwa sei häufig deren hektischer Alltag schuld: „Bei viel Stress wird die Produktion des Testosterons unterdrückt.“ Betroffene fühlen sich müde und energielos. Für Konrad noch kein Grund, das Hormon künstlich zuzuführen – sondern eher, den Lebenswandel zu überdenken. „Bei Frauen hingegen können extreme Belastungen im Alltag zu einem Ungleichgewicht der Hormone und in der Folge zu Zyklusstörungen führen“, sagt Konrad. 

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Medikamente können die Bildung von Hormonen künstlich anregen oder unterdrücken.

Konrad warnt zudem vor der Einnahme von Substanzen, die als „Antiaging-Hormone“ beworben werden, denn die können unangenehme Nebenwirkungen haben. So kann etwa das in den USA beliebte Dehydroepiandrosteron (DHEA) nicht nur bei Frauen zu Bartwuchs führen, sondern es erhöht vermutlich auch das Risiko für bestimmte Krebsarten.

Neben Krankheiten und einem ungesunden Lebensstil können zudem Umwelteinflüsse den Hormonhaushalt durcheinanderwirbeln. Dazu gehören Pestizide, Konservierungsmittel und Inhaltsstoffe von Plastik- und Verpackungsmaterialien, die über den Hautkontakt oder das Essen in den Körper gelangen. „Viele dieser Substanzen, die Hormonen von der Struktur her ähneln, können sich negativ auf den Organismus auswirken“, sagt DGE-Sprecher Weber.

Hormone bestimmen die Geschlechtsreife

Während der Pubertät reifen Teenager zu Erwachsenen heran. Foto: Fotolia
Während der Pubertät reifen Teenager zu Erwachsenen heran. Foto: Fotolia

In der Pubertät befinden sich Körper und Seele im Ausnahmezustand. Schuld daran sind auch Hormone, die den Organismus in dieser Zeit überfluten. Angestoßen wird der Prozess durch die Hirnanhangsdrüse, auch Hypophyse genannt, die gleich mehrere Arten von Hormonen produziert. Während der Pubertät bildet sie vermehrt Wachstumshormone. Außerdem bildet die Hypophyse noch weitere Hormone, die durch die Blutbahn zu den Eierstöcken und den Hoden gelangen. Bei Mädchen regen diese den ersten Eisprung an und die Produktion des weiblichen Geschlechtshormons Östrogen in den Eierstöcken. Das Östrogen wiederum fördert die Ausreifung der körperlichen Geschlechtsmerkmale. Bei jungen Männern stimulieren die Hormone der Hypophyse die Spermienproduktion und die Bildung des männlichen Geschlechtshormons Testosteron, das eine Vermännlichung des Körpers bewirkt. Doch auch im Gehirn der Jugendlichen findet ein Wandel statt. Eine Theorie geht davon aus, dass Areale des Gehirns, in denen starke Emotionen verarbeitet werden, bei Jugendlichen bereits ausgereift sind, andere Hirnbereiche, die die Impulskontrolle steuern, hingegen noch nicht. Wissenschaftler machen unter anderem diesen Zustand für die typischen Gefühlsschwankungen Pubertierender verantwortlich.

SPRECHSTUNDE - INGRID FISCHBACH

Im Zweifel eine Zweitmeinung

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Jeder kann in die Situation kommen, eine wichtige Entscheidung für die eigene Gesundheit fällen zu müssen. Was dann das Richtige ist, lässt sich oft nicht pauschal sagen.

Mit dem 2015 in Kraft getretenen Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung wurde das Recht auf eine sogenannte strukturierte Zweitmeinung für gesetzlich Versicherte gestärkt. Bei bestimmten Eingriffen muss künftig der Arzt, der erstmals die Indikation stellt, den Patienten über diese Möglichkeit aufklären. Daneben bieten viele Krankenkassen ihren Versicherten eigene Zweitmeinungsverfahren an.

Wir haben das Recht auf eine freie Arztwahl. Das Vorgehen sollte jedoch mit dem Arzt und der Krankenkasse besprochen werden. So können oft bereits mit dem ersten Arzt Ängste und Unsicherheiten geklärt werden. Auch bereits vorhandene Untersuchungsergebnisse wie beispielsweise Laborwerte oder Röntgenaufnahmen können so gleich vom zweiten Arzt genutzt werden.

Ingrid Fischbach ist Patientenbeauftragte und Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung.

SO WIRKT DAS

Metoprolol

Der Betablocker kommt bei Bluthochdruck, Migräne, Herzrhythmusstörungen und bei Herzinfarkten zum Einsatz. Er senkt Blutdruck und Herzschlagfrequenz. Zu Nebenwirkungen des Betablockers zählen auch Gewichtszunahme und Erektionsstörungen.

Platz sechs der Rangliste der 2016 am häufigsten ärztlich verordneten Wirkstoffe nach dem Arzneiverordnungsreport 2017 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) auf Grundlage der Verordnungsdaten der gesetzlichen Krankenversicherung.

GROSSMUTTER WEISS RAT

Fenchel-Salbei-Tee hilft bei Sinusitis

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Bei einer Nebenhöhlenentzündung (Sinusitis) lindert ein Tee aus diesen Zutaten die Beschwerden: 60 Gramm Sternanis, 40 Gramm Thymianblätter, 30 Gramm Fenchelsamen und 30 Gramm Salbeiblätter mit einer Tasse kochendem Wasser übergießen. Nach zehn Minuten Ziehzeit kann der Tee getrunken werden. Mehrmals täglich trinken, bis die Symptome abklingen. iff

Das Rezept stammt aus „Zwiebelwickel, Essigsocken & Co.: Traditionelle Heilmittel neu entdeckt“ von Karin Berndl und Nici Hofer, Eden Books, 14,95 Euro.