Anzeige
City Magazin Wolfsburg - Herbst

Der Querdenker als neuer Chef im CongressPark

Der Querdenker als neuer Chef im CongressPark Bildunterschrift anzeigen Bildunterschrift anzeigen

Thomas Muth hat als neuer CongressPark-Chef kühne Pläne. Für die überfällige Generalsanierung des Hauses fordert er mut(h)ig 20 Millionen Euro.

Porträt

„Querdenker schätzt und liebt man erst 20 Jahre nach ihrem Tod.“ Der das 2010 in einem Zeitungsinterview sagte, muss es wissen: Daniel Goeudevert, 1991 bis 1993 Volkswagen-Konzernvorstand. Der Öko-Denker mit französischen Wurzeln hätte schon damals im VW-Hochhaus gern mehr die Alternativ- und Elektroantriebe forciert, nach denen nun händeringend die ganze Welt ruft. Doch Goeudevert weiß heute, das wäre ein Flop geworden: „Es reicht nicht, nur gute Gedanken zu haben. Man muss damit auch zur richtigen Zeit auf den Markt kommen.“25 Jahre später macht in Wolfsburg wieder ein Querdenker von sich reden, allerdings nicht beim großen Automobilbauer, sondern auf städtischem Parkett: Thomas Muth, Jahrgang 1966, verheiratet, Vater einer Tochter, bekennender Katholik, wertkonservativ, immer politisch engagiert. Zunächst bei der CDU, sympathisierend mit Norbert Blüm, dann parteilos und nun bei den Grünen, für die er bei den Gifhorner Landratswahlen 2014 ins Rennen ging. Muth ist ein Mann, der seine Ideale in der Antwort auf eine Fragestellung zusammenfasst: „Wer vertritt meine Welt am besten?“ Dass dabei aufgrund der Entwicklungen auch mal Richtungswechsel vorkommen können, ist für ihn nur logische Konsequenz, mit der es sein Umfeld allerdings nicht immer ganz leicht hat. Nicht, als er 2008 als Stadtrat für Finanzen und Kultur in die Volkswagenstadt kam, und sehr wahrscheinlich auch nicht, als er – einem Paukenschlag gleich – zum 1. Juni als neuer Geschäftsführer in den sanierungsbedürftigen CongressPark Wolfsburg wechselte.

City Magazin Wolfsburg - Herbst

Der Querdenker als neuer Chef im CongressPark-2
Gleich nach seinem Amtsantritt verschaffte sich Thomas Muth einen Eindruck vom in die Jahre gekommenen CongressPark, in dem schon viele Berühmtheiten gastierten.

Unrast und Unbequemlichkeit

Der Mann, an dem sich die Geister scheiden, ist alles andere als ein bequemer Zeitgenosse. Hummeln im Hintern, flößt er sich nach eigenen Aussagen mit Espresso schlückchenweise jene Ruhe ein, die er für diesen Job braucht, wenn er Dinge analysieren und verändern will. Doch vielleicht erkennen ja die Stadtväter in ihm genau wegen seiner Unrast und Unbequemlichkeit den jahrelang vergeblich gesuchten Hoffnungsträger? Einen, der es schaffen kann, aus dem 1958 am Fuße des Klieversbergs als „Stadthalle“ eröffneten Bau den modernen CongressPark zu machen, der diesen Namen auch wieder verdient?

Eine Stadt, in der Digitalisierung und autonomes
Fahren in aller Munde sind und die sich deutschlandweit als attraktiver Tagungs- und Kongressstandort etablieren und empfehlen will, braucht so einen „Leuchtturm“ der Wolfsburger Wirtschaftspolitik mehr denn je.


„Ich war kaum 20, als mein Großvater und mein Vater starben.“

Thomas Muth

Der Querdenker als neuer Chef im CongressPark-3

Jetzt müssen Investitionen her

Sehr direkt pirscht Muth, der bislang als Stadtrat für Finanzen immer kräftig bremsend den Daumen auf die Kosten des städtischen Etats drückte und acht Jahre lang im Aufsichtsrat des CongressParks saß, vor: „Der CongressPark gehört mit rund 300 Veranstaltungen jährlich – von Messen über Fachtagungen bis zu Showveranstaltungen und Abi-Bällen – zwar rückblickend bundesweit zu den großen Veranstaltungs- und Tagungshäusern mit den geringsten Finanzdefiziten. Doch in diesen ruhigen Fahrwassern kann es so nicht weitergehen. Das Schiff ist in die Jahre gekommen und – wie nicht nur die Beleuchtungstechnik aus den 70ern zeigt – chronisch unterfinanziert. Wenn das Haus so weiterlaufen sollte wie bisher, wäre ich die falsche Wahl für den Geschäftsführerposten. Nur Siechtum zu verwalten entspricht ganz und gar nicht meinen Vorstellungen. Vielmehr lautet mein Plädoyer an die Stadt: Der CongressPark muss aus seinen Schwierigkeiten herausinvestiert werden.“

Der Querdenker als neuer Chef im CongressPark-4
Der Querdenker als neuer Chef im CongressPark-5
Der Querdenker als neuer Chef im CongressPark-6
Schon viermal pilgerte Thomas Muth auf dem Jakobsweg – seine Weise, immer wieder zu sich selbst zu finden.

Den eigenen Weg gefunden

Aus seinem Herzen machte Thomas Muth de facto noch nie eine Mördergrube. Im Kölner Raum aufgewachsen, sollte er als Erstgeborener die von seiner Familie über mehrere Generationen geführte Metzgerei übernehmen. Er beugte sich der Tradition und absolvierte mit wenig Freude eine Metzgerlehre. Muth erinnert sich: „Ich war kaum 20, als mein Großvater und mein Vater starben. Da erklärte ich meiner Mutter doch ziemlich eindringlich, dass dieser Beruf nicht meiner Berufung entsprach, und fand meinen eigenen Weg.“

Als Freiwilliger für acht Jahre bei der Bundeswehr, holte er nebenbei sein Fachabitur nach, um an der Rheinischen Fachhochschule zu Köln zunächst Volkswirtschaftslehre und schließlich an der Fern-Uni Hagen Betriebswirtschaftslehre mit dem Abschluss als Diplom-Kaufmann zu studieren. Muth war als Beamtenanwärter für den gehobenen Dienst, als Stadtinspektor und Angestellter in verschiedenen anderen Positionen in Niederkassel, Stollberg/Aachen oder Bergisch-Gladbach tätig, engagierte sich parteipolitisch in der CDU und im DGB, studierte an der Fern-Uni schließlich noch Kulturmanagement – und brachte damit 2008 genau das nach Wolfsburg mit, was hier von einem Bewerber als Stadtrat für Finanzen und Kultur erwartet wurde.

Prägende Meilensteine mit gesetzt

Heute kann Thomas Muth resümieren: „Zur Zeit meines Amtsantritts als Kämmerer saß die Stadt auf etwa einer Viertelmilliarde Schulden. Als ich am 31. Mai diese Stelle verließ, verzeichneten wir ein Guthaben von circa 50 Millionen Euro und einen Gewinnvortrag von 270 Millionen Euro. Ganz ehrlich: Ich staune immer wieder über die Dynamik dieser Stadt, in der ich manch prägende Meilensteine mit ‚setzen’ durfte. Beste Beispiele sind das Zwangsarbeiter-Denkmal am Nordkopf, das der Seele Wolfsburgs nur guttun kann, die 35 Millionen schwere Theater-Sanierung sowie die Investition von insgesamt circa 1,8 Millionen Euro in das Planetarium, das sich zu einem starken Besuchermagneten entwickelt hat.“

Der Querdenker als neuer Chef im CongressPark-7

Gas geben, die Nase vorn haben!

Ähnliches wünscht sich Thomas Muth nun für den CongressPark und erklärt kein bisschen bescheiden: „Ich empfinde es durchaus als Ehre, dass mir die Stadt dieses legendäre Objekt anvertraut. Normalerweise gibt man mir das, was ich kann. Okay, ich habe noch nie ein Schiff gefahren, bin aber jetzt durchaus gern Kapitän dieser 14-köpfigen erprobten Mannschaft, von der ich mir ein gutes und loyales Miteinander verspreche. Eine Generalsanierung von Bauhülle und Technik des CongressParks, die geschätzte 20 Millionen Euro kosten wird, sollte dieses Haus der Stadt allerdings schon wert sein. Und bitte mit Status quo: einer eigenen Kantine – weil jede Tagung, jede Veranstaltung letztlich doch nur so gut ist, wie ihr Catering!“

Vor dem Hintergrund, dass die Braunschweiger Stadthalle ebenfalls bald zu Sanierungszwecken geschlossen wird, lautet Muths Credo: „Gas geben, schneller sein als die Löwenstadt, wo 2020/2021 die Angelegenheit erledigt sein soll. Es ist doch klar: Wer in diesem Rennen die Nase vorn hat, gewinnt die Gunst der Veranstalter. Und genau die wollen wir doch nach Wolfsburg holen.“

Auf dem Jakobsweg ganz bei sich selbst

Der gedankliche Wettlauf mit der Zeit bringt Thomas Muth in Wallung. Deshalb genehmigt er sich zwischendurch schnell wieder seinen beruhigenden Espresso und erzählt: „Damit der ganz normale Wahnsinn und Stress des Alltags mich nicht auffressen, habe ich es bislang schon viermal wie Hape Kerkeling gemacht und bin jeweils für sechs Wochen auf dem Jakobsweg gewandert, um wieder ganz zu mir selbst zu finden. Das ist eine ganz andere Erfahrung als fünf Tage Harzer Hexenstieg. Wenn man tagsüber in sich selbst versunken stundenlang wandert, alle Gedanken gedacht sind und sich auf einmal der kleine Zeh meldet, steht die Frage: Gebe ich jetzt auf oder übergehe ich den Schmerz und halte durch? Die Transformation dieser Gedanken ins wahre Leben kann helfen, Berge zu versetzen. Auch hier im CongressPark …“ (bc)