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Samtgemeinde Meinersen II

Kapstadt – New York – Meinersen

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Hat ein kritisches Auge auf die Welt: Der südafrikanische Künstler Jaco van Schalkwyk zeigt im Künstlerhaus, dass er als Maler der Zerstörung der Natur nicht tatenlos zusieht.

Jaco van Schalkwyk verarbeitet Inspirationen im Künstlerhaus

Für gewöhnlich geht es hinter der schönen Fachwerkfassade des Künstlerhauses Meinersen eher beschaulich zu. Die Jury fällt nach gründlicher und fachkundiger Prüfung die Entscheidung für einen jungen Künstler oder eine junge Künstlerin, der oder die fortan mit dem Stipendium in der Tasche für bis zu ein Jahr in einem Atelier des Hauses leben und schaffen kann, um dann vor Ort auszustellen.

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Künstlerporträt

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Fotorealismus in purer Vollendung: Schalkwyks Gemälde täuschen das Auge und fordern auf zur genauesten Betrachtung – und dann offenbart sich Verblüffendes im Detail. 
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In Südafrika kennengelernt: Jochen Weise lud Jaco (li.) nach Meinersen ein. © Ivan Muller

Anders mit Jaco van Schalkwyk. Mit dem jungen südafrikanischen Künstler fegt ein Wirbelsturm durch das Künstlerhaus, der, so viel steht fest, nach nur zwei Monaten eine Spur der Bewunderung zurücklassen wird. Verantwortlich dafür ist Jochen Weise, bekannter niedersächsischer Künstler, vor 27 Jahren selbst Stipendiat in Meinersen und heute künstlerischer Berater des Künstlerhaus-Vorstandes. „Vor einem Jahr erhielt ich ein Johannesburg-Stipendium der Sylt-Foundation mit Ausstellungsteilnahme an der großen Kunstmesse TAF. Dort lernte ich bei einer Preisverleihung Jaco van Schalkwyk kennen. Er lud mich in sein Atelier ein, und ich war sofort begeistert von seinen Arbeiten. Nach meiner Rückkehr hielt ich einen Bildervortrag im Künstlerhaus Meinersen, in dem ich von meinem Stipendium und über südafrikanische Künstler berichtete. Dabei entschied sich unser Vereinsmitglied Kurt Müller spontan, ein komplettes Stipendium für Jaco zu finanzieren“, berichtet Jochen Weise. Da der Terminkalender des 36-jährigen Malers, den Stipendien unter anderem nach New York, vor drei Jahren auch nach Sylt führten, prallvoll ist, kann er nur acht Wochen in Meinersen bleiben. Doch nun ist er da und lässt sich vom Leben in der Samtgemeinde für künstlerische Arbeiten inspirieren. Die Ergebnisse präsentiert er im Rahmen eines Vortragsabends am 30. November um 19 Uhr im Künstlerhaus Meinersen.

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Zwischen Naturalismus und Avantgarde

Wer ist dieses südafrikanische Ausnahmetalent? Ein Leopard stillt mitten im Dschungel an einer entlegenen Wasserstelle seinen Durst, ein an nacktem Oberkörper über und über mit Naturmotiven tätowierter, langmähniger Indio in Jeans schaut gedankenverloren in die Ferne – zwei Motive von einem Fotografen, unbeobachtet mit langer Brennweite aufgenommen? Irrtum! Es sind keine Fotos, die die Besucher der Ausstellung in der Kapstädter Barnard Gallery bewundern. Es sind Gemälde von Jaco van Schalkwyk, die die Betrachter mit atemberaubendem Fotorealismus verblüffen.

Doch nicht nur die Akkuratesse der Bilder beeindruckt, denn sie bilden die Wirklichkeit nicht ab, sondern sie gestalten sie. Der Künstler ist nicht nur Maler, sondern auch Regisseur, Arrangeur und Kompositeur in einer Person. Die Leinwand gewinnt an Räumlichkeit, wird zur Bühne mit verschieden gestalteten Ebenen: So ist zum Beispiel die Rückwand der Kulisse ein in Rauch gehüllter, feuergerodeter Wald, in der Mitte der Bühne unberührter Dschungel und den Vordergrund dominieren gepflanzte Bäume und Farne – unberührte, von Menschenhand zerstörte und kultivierte Natur in einem Bild.

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Suchbilder: Jedes Gemälde steckt voller tiefer Symbole und Andeutungen.
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Kolonialismus als aktuelle Last

Dieser Topos zieht sich durch die Arbeiten von Jaco van Schalkwyk seit seinem Kunststudium und seiner Kunstausbildung bei der südafrikanischen Malerin Marié Vermeulen-Breedt, bei der er nicht nur das Handwerk der Malerei bis zur Perfektion lernte, sondern auch die Liebe zu den großen holländischen Künstlern wie Rembrandt und Vermeer, aber auch zu deutschen Malern wie Caspar David Friedrich und Gerhard Richter. Mit deren naturalistischem Pinselstrich schuf Jaco van Schalkwyk Allegorien, die zur Klageschrift gegen die Zerstörung der Natur werden sollten: Von der Ausrottung der Wildtiere in Südafrika bis hin zur Vernichtung der Wälder in Asien – die Recherchen des Künstlers vor Ort machten ihn quasi zum Zeitzeugen. Doch niemals erhebt er in seinen Arbeiten den moralischen Zeigefinger. „Mit der überwältigenden Schönheit eines Tieres in der Natur dokumentiere ich eine Realität, die es so kaum noch gibt, und sage: Das müssen wir schützen und bewahren. Aber ich verstecke auch Botschaften in Kontrasten, wo man genauer hinschauen muss“, verrät der Künstler. Ein immer wiederkehrendes Thema ist der Kolonialismus, der sich für Jaco van Schalkwyk durch die Geschichte zieht – bis heute. „Deutsche und meine holländischen Vorfahren haben sich in Südwest- und Südafrika unter anderem auf peinlichen Fotos als Trophäensammler verewigen lassen – mit Wildtieren, Kunstschätzen und Eingeborenen. Und heute?

Fotografieren Touristen ungeniert alles, was sie im Urlaub vor die Handylinse bekommen“, beklagt der Künstler und karikiert mit spitzem Pinsel modernes Konsumverhalten. Ein breites Publikum dafür findet er unter anderem durch die berühmte und international sehr renommierte Barnard Gallery in Kapstadt, in der bereits zahlreiche Ausstellungen von Jaco van Schalkwyk gelaufen sind und die den Künstler aktiv unterstützt.

„Mit der überwältigenden Schönheit eines Tieres in der Natur dokumentiere ich eine Realität, die es so kaum noch gibt, und sage: Das müssen wir schützen und bewahren. Aber ich verstecke auch Botschaften in Kontrasten, wo man genauer hinschauen muss.“

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Sturmfolgen auf Sylt: Was Mensch und Natur anrichten können, erlebte Jaco 2014 während eines Stipendiums auf der Nordseeinsel und verarbeitete seine Inspirationen mit dem Bildhauer Stephan Erasmus in einer Ausstellung in der ABSA Gallery/Johannesburg. © Ivan Muller

Das Künstlerhaus bleibt international

Ende November wird Jaco van Schalkwyk Meinersen wieder verlassen, da er nur zwei von den bewilligten zwölf Monaten des Stipendiums in Anspruch nehmen kann. Nach einem beruflichen Abstecher nach Miami wird der Künstler dann wieder in seine heimatlichen Gefilde zurückkehren, um dort wichtige Termine einzuhalten. Doch Südafrika wird dem Künstlerhaus erhalten bleiben. Auf Jaco wird dessen Künstlerkollege Themba Khumalo folgen, der ab Ende 2017 für einige Monate im Künstlerhaus arbeiten und anschließend ausstellen wird. Er wurde 1987 in Johannesburg geboren, hat dort studiert und erschuf Bilder aus seiner Heimatstadt, in denen er die Schönheit, die Energie, die Ängste und das Düstere zusammenfasst. „Ich bin der, zu dem ich durch meine Erziehung geworden bin“, sagt Themba Khumalo und wird mit seinen Arbeiten, die daraus entstanden sind, das Künstlerhaus Meinersen in Richtung mehr Internationalität bereichern. (jv)