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City Magazin Wolfsburg - Frühling 2018

Kunst der Fotografie: Verblüffende Einfachheit

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Wolkenspiegel: Das Gewerkschaftshaus der IG Metall Wolfsburg.

Künstlerporträt

„Nichts ist verblüffender als die einfache Wahrheit. Nichts ist exotischer als unsere Umwelt. Nichts ist fantasievoller als die Sachlichkeit.“ Was Egon Erwin Kisch, einer der bedeutendsten Reporter in der Geschichte des deutschsprachigen Journalismus, auf den Punkt brachte, gilt auch für die Kunst der Fotografie. Wohl deshalb hat Klaus Römer Kischs Maxime zu seiner eigenen gemacht. Von ihr beseelt, ist der 61-jährige Unruheständler bei jedem Wind und Wetter gern in Wolfsburg und Umgebung am liebsten zu Fuß unterwegs. Immer mindestens eine Kamera dabei, gilt seine Leidenschaft der Suche nach dem Besonderen, das im Einfachen verborgen liegt.

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Futuristisch: Das Outletcenter in Wolfsburg.

1961 in Wolfenbüttel geboren und zusammen mit drei Geschwistern in Schöppenstedt aufgewachsen, kam Klaus Römer schon frühzeitig mit Kunst im Allgemeinen und der Fotografie im Besonderen in Berührung. „Mein Vater und meine Schwester malten. Ich interessierte mich hingegen schon immer mehr für Fotografietechnik. Das lag vor allem daran, dass es an unserer Schule eine tolle Foto-AG gab, die auch über ein bestens ausgestattetes Foto-Labor verfügte. Hier habe ich das Fotografieren – damals natürlich noch analog – von der Pike auf gelernt. Ebenso die Filmentwicklung und Bildbearbeitung von Hand in der Dunkelkammer“, erzählt Klaus Römer. Berufsmäßig schlug er allerdings andere Wege ein. Nach einer Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann wechselte der damals junge Familienvater wegen besserer Einkommensmöglichkeiten 1979 in die Montage von Volkswagen und verdiente über 36 Jahre lang im Drei-Schicht-System sein Brot. Zudem engagierte er sich mit Herzblut in der Gewerkschaftsarbeit.

„Ordnung ist die Lust der Vernunft, Unordnung die Wonne der Fantasie.“

PAUL CLAUDEL

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Preisgekrönt. Ein Bild, das Türen öffnete: Wasser ist Leben.

Begeisterung für den Klick mit Kick

„Die Fotografie rückte 1980, nach der Geburt unserer Tochter Denise, schlagartig zurück in meinen Alltag, natürlich zunächst mit Aufnahmen fürs Familienalbum. Kaum aber hatte ich meine Kameras – erst eine Olympus, dann eine Rolleiflex SL 35E – wieder in der Hand, entzündeten sie ruckzuck meine Begeisterung für den vertrauten Klick mit Kick in ganz neuem Maße“, so Römer. Landschaft, Architektur oder das Arrangieren anspruchsvoller Stillleben reizten ihn besonders, weckten seine künstlerische Ader. Neue Apparattechnik von Canon eröffnete immer mehr Möglichkeiten. Nach und nach nahm Römers Equipment professionelle Züge an. Mit zwei analogen, drei digitalen und einer 6 x 6-Kamera, diversen Objektiven und Stativen, Softbox und Aufhell-Schirmen ist er längst für alle Eventualitäten bestens gewappnet.

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Railroad-Steel: Ein spektakulärer Blick auf den Wolfsburger Hauptbahnhof.
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Graffity-Sprühflaschen in Berlin: Die Welt kann so bunt sein.

Ehefrau Ulrike trug es immer mit Nachsicht und Fassung, dass ihr Klaus mangels eigenen Fotolabors oft zwischen Küchenstuhl und Stubentisch improvisierte. Als die Tochter – längst erwachsen – irgendwann aus der elterlichen Wohnung auszog, wurde das Kinderzimmer kurzerhand für ihn zum Arbeitszimmer erklärt. Hier kann er nun mit einem Augenzwinkern schalten und walten, frei nach Paul Claudel: „Ordnung ist die Lust der Vernunft, Unordnung die Wonne der Fantasie.“

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Eine Schote – oder was?! Paprika-Kunst!

Feinschliff von Heidersberger und Düx

„Gott sei Dank ist Kunst an keine starren Bedingungen gebunden. Das gaben mir sowohl Heinrich Heidersberger als auch Fred Düx mit auf den Weg. Bei ihnen habe ich so manchen Kurs an der Volkshochschule besucht und meinen Feinschliff bekommen. Heidersberger – Inbegriff der Perfektion in der Fotografie. Düx – ein Meister in Sachen Grafik und Komposition. Ich bin sehr dankbar, dass ich von beiden so viel lernen durfte“, erklärt Klaus Römer, der selbst Anfang der 80er-Jahre erste Fotos, die Geschichte schrieben, in der damaligen Zeitung „Neue Wolfsburger“ veröffentlichte. Unvergessen ist auch seine Debüt-Ausstellung in der „Bistrothek“, einem ehemaligen Szenelokal, in dem von morgens bis abends immer reger Betrieb herrschte und somit einzigartige Momentaufnahmen entstanden. Oder: Wer kennt noch das alte Noack, dessen Mauern dem Südkopfcenter weichen mussten? Römer hält diese historischen Aufnahmen in Ehren und denkt: „Im Institut für Zeitgeschichte wären sie vielleicht noch besser aufgehoben.“

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Exotisch wie eine Mangrove: Die uralte Hainbuche direkt vor Römers Fenster.
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Mit der Kamera immer auf Motivsuche: Der Fotograf Klaus Römer.

Ganz allmählich wurde der Fotograf Klaus Römer nicht nur in Wolfsburg ein Name, ein Begriff für Kunst, die auch dokumentiert. Ein 1. Preis 1985 in einem Fotowettbewerb für sein Bild „Wasser ist Leben“ öffnete ihm Türen in die Fachwelt zum Beispiel mit Ausstellungen zur Woche der Kunst und Kreativität in Wolfsburg, beim BUND oder im Galerietheater. Besonders stolz aber ist er auf seine Arbeiten in den 90er-Jahren für eine gemeinsame Aktion von ARD, Deutsche Fototage und „Stern“ unter dem Motto „Deutsche sehen Deutsche“. Passionierte Fotografen aus allen Teilen der Bundesrepublik schickten dazu Bilder ein. Die des Wolfsburgers Klaus Römer bestanden unter den kritischen Augen der Juroren und schafften die Aufnahme in die großen Ausstellungen in Frankfurt und Bonn, inklusive der Veröffentlichungen in allen drei dazugehörigen Katalogen.

„Gott sei Dank ist Kunst an keine starren Bedingungen gebunden.“

KLAUS RÖMER

Kontraste und das Spiel mit Schatten und Licht

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Faszination und Kritik liegen bei Klaus Römer ganz nah beieinander.

Obwohl sich Klaus Römer auf seinen fotografischen Streifzügen durch Stadt und Land gern von Farben faszinieren und inspirieren lässt – eine blaue Feder vom Eichelhäher ist für ihn „schön wie ein Diamant“, eine uralte Hainbuche direkt vor seinem Wohnzimmerfenster empfindet er als „exotisch wie eine Mangrove“ – hat er ein ganz besonderes Faible für Schwarz-Weiß, das Spiel mit Schatten und Licht, entwickelt. Spektakuläre Wolfsburger Bauten wie Phæno, Kraftwerk, Kunstmuseum, Alvar-Aalto-Zentrum, der Wolfsburg Nordkopf Tower, das Scharoun-Theater und natürlich die Autostadt-Architektur nahm er schon unzählige Male und doch immer neu und spannend in den Fokus seiner Kameras.

Verblüffende künstlerische Ergebnisse akribischer Arbeit mit dem Bild hat er in Ausstellungen wie „Kontraste“, „Schnappschüsse“ oder „Natur und Technik“ zusammengefasst. Da trifft ein Netz aus Schienensträngen, „Railroad-Steel“ genannt, auf Stillleben wie „Paprika-Kunst“ oder ein inszeniertes „In Vino Veritas“. 2015 nahm Römer mit einigen seiner Bilder an der Sommerausstellung von creARTE Wolfsburg e. V. teil. 2017 schloss er sich selbst den zumeist italienischen Kreativgeistern dieses Wolfsburger Kunstvereins an. (bc)