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City Magazin Wolfsburg - Winter 2017

Sehens- und erhaltenswert: die romantische Altstadt

Sehens- und erhaltenswert: die romantische Altstadt

Vor Ort in Fallersleben

Der Wind weht rau und kalt und die Luft riecht schon nach Winter. Aber ein blauer Postkartenhimmel lädt ein zu einem reizvollen Bummel durch die historische Altstadt von Fallersleben – allein, zu zweit oder mit der ganzen Familie. Wer hier mit offenen Augen und Ohren durch die Straßen schlendert, kann zu Fuß und auf kürzestem Wege eine überaus interessante Zeitreise in vergangene Jahrhunderte erleben.Immerhin blickt Fallersleben heute auf bewegte 1075 Jahre zurück! Und: Das Weichbild des im Mittelalter mit Wall und Graben umgebenen Ortes unterscheidet sich nur wenig von dem der Altstadt zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Auch die beiden Weltkriege überlebte die Hoffmannstadt ohne nennenswerte Gebäudeschäden. Umso mehr sieht sich der Ortsrat heute in der Pflicht, das Sehenswerte und Einmalige auch für kommende Generationen zu bewahren, und beschloss im Oktober eine Erhaltungssatzung für die Altstadt Fallersleben.

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Reizvoll: Ein Bummel durch die Hoffmannstadt gleicht einer Zeitreise in vergangene Jahrhunderte.
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„Geschichte kann Heimat sein“

„Eine beweiskräftige Urkunde aus dem Jahre 942 nach Christus, die das Handzeichen von König Otto I. trägt, wird heute noch im Magdeburger Archiv verwahrt“, weiß die langjährige Ortsbürgermeisterin Bärbel Weist. Sie ist Fallersleberin mit Leib und Seele und lebt – wie viele Fallersleber auch – das, was Richard von Weizsäcker einmal treffend so formulierte: „Geschichte kann Heimat sein.“

Bärbel Weist wurde in Fallersleben geboren, ist hier aufgewachsen und kennt beinahe jeden Baum, jeden Strauch, jeden Pflasterstein. Entsprechend viele interessante Daten, Fakten und Überlieferungen kann sie aus der wechselvollen Geschichte der Hoffmannstadt erzählen: „1547, zu jener Zeit, als Herzogin Clara in Fallersleben residierte, wurde ein Ratsbuch angelegt. Eine Eintragung im Kirchenbuch dokumentierte 1579 fünf Straßen, die auch heute noch den Kern unserer Altstadt bilden: Westerstraße, Gröperstraße, Rosenwinkel, Kampstraße und Neue Straße – die heutige Bahnhofstraße. Marktstraße und Sandkämper Straße waren ursprünglich ein Straßenzug, der als Lange Straße in historischen Dokumenten festgehalten und identisch mit der uralten west-östlichen Fernverkehrsstraße ist, an der sich die ersten Arbeiter, Handwerker und Händler ansiedelten“, so Weist.

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In Fallersleben gab es mal einen Gänsemarkt. Bärbel Weist: „Das Gänseliesel erinnert daran.“

Neues Leben in alten Mauern

In den romantischen Straßen, die bis heute von den historischen Fachwerkhäusern vergangener Jahrhunderte gesäumt sind, mag es kaum ein Grundstück geben, auf das sie noch nicht ihren Fuß gesetzt hätte. Vor dem rund 400-jährigen Fachwerkhaus in der Marktstraße 8 steht noch ein Baugerüst. Nach Jahren des Leerstandes zieht in die alten Mauern gerade wieder neues Leben ein: Angela Hering hat Unternehmergeist bewiesen und am 11. November im Erdgeschoss ein neues Kurzwaren- und Handarbeitsgeschäft „Mafalda“ mit dem Sortiment der ehemaligen „Handarbeitsquelle“ eröffnet. Zwölf Mitarbeiterinnen der einstigen Stammbelegschaft zogen mit und haben hier wieder einen Arbeitsplatz gefunden! Im Obergeschoss des denkmalgeschützten Objektes entsteht komfortabler Wohnraum – in privilegierter Lage, mitten im Herzen von Fallersleben. Und eine überglückliche Angela Hering erzählt: „Auf dem Dachboden haben wir beim Entrümpeln sogar noch alte Truhen und einen Kaufmanns-Tresen gefunden, der aus der Zeit stammen dürfte, als es in diesem Haus mal einen Milchladen gab. Diese Schätze werden natürlich aufgearbeitet und ins neue Geschäft integriert.“

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Kleiner kunstvoller Blickfang über der Haustür: Bahnhofstraße 14.

Nur wenige Schritte weiter, in der Marktstraße 11, ist Familie Chessa vor einigen Jahren die aufwendige Sanierung eines charmanten Fachwerk-Wohnhauses mit vorkragendem Geschoss aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts gelungen. Weist: „Die Familie hat mithilfe ihrer ganzen Verwandtschaft das Haus bei der Renovierung ohne Abstriche in seinen Originalzustand versetzt, selbst die kleinen Mägde-, Räucher- und Kornkammern beibehalten. Und im Keller wurde eine Quelle wiederentdeckt! So viel Tatendrang hat der Kultur- und Denkmalverein Fallersleben e. V. mit einer begehrten Töpferkachel belohnt – einer Auszeichnung für besonders schöne Restaurierungen in der Fallersleber Altstadt.“

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Blick auf das altehrwürdige Hoffmannhaus, Geburtshaus des berühmten Sohnes der Stadt.

Schmuckstücke & zauberhafte Details

Bürgermeisterin Bärbel Weist weiß die beispielhaften Aktivitäten aller Menschen zu schätzen, die Zeit, Kraft und Mühe und nicht zuletzt Kosten auf sich nehmen, um einem vom Verfall bedrohten, denkmalgeschützten Haus zu neuem Glanz zu verhelfen. „So manches Gebäude gleicht heute einem Puppenhaus! Um nur einige Beispiele zu nennen: Das Haus der Familie Lindner in der Sandkämper Straße/Ecke Marktstraße ist ein ganz besonderes Schmuckstück, genau wie das aus dem 16. Jahrhundert stammende Gebäude in der Bahnhofstraße 15-16, in dem heute unter anderem eine Tierarztpraxis untergebracht ist. Oder die Kampstraße 19: viele Jahre der Salon von Friseur Lünzmann, heute ein Kosmetikstudio. Auch ‚Mode am Markt’ in der Bahnhofstraße 23, das Geschäftshaus Böllhoff am Denkmalplatz 6, die Wohnhäuser Westerstraße 1 oder Westerstraße 27 (ehemals das Haus eines Böttchers) sind historische Gebäude, vor denen Passanten immer wieder gern stehen bleiben, um die uralten, zauberhaften Details zu bewundern“, berichtet Weist.

„Unsere 1075 Jahre alte Hoffmannstadt präsentiert sich einzigartig, charmant und gastfreundlich.“

Bärbel Weist

Rückblickend nennt sie das Jahr 1975, das „Internationale Denkmalschutzjahr“, als wichtigen Meilenstein, der langsam, aber sicher in Fallersleben das Verantwortungsbewusstsein für die Erhaltung der historischen und attraktiven Altstadt wachrüttelte. Fachwerkhäuser wurden nach und nach restauriert und renoviert, Dächer erneuert. Restaurants, Cafés und Eisdielen entstanden, Einzelhändler, Handwerker und Dienstleister belebten das Zentrum der Hoffmannstadt. Ein Zunftbaum wurde errichtet, Brunnen entstanden, Straßen, Wege und Plätze präsentierten sich immer attraktiver. Skulpturen wie die von Herzogin Clara am Schloss oder vom Gänseliesel vis-à-vis dem altehrwürdigen Hoffmannhaus wollen einmal mehr als liebenswerte Details bei einem Stadtbummel auf geschichtsträchtigem Grund und Boden entdeckt werden.

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Frauenpower: Angela Hering (3. v. r.) eröffnete nach aufwendiger Restaurierung eines 400 Jahre alten Hauses kürzlich ihr Handarbeitsgeschäft „Mafalda“.

Geschichte ist auch Geschichtetes

Bärbel Weist: „Nicht zuletzt ziehen heute Veranstaltungen wie das Altstadtfest, der ‚Weihnachtszauber’ und das Weinfest im Schlosshof, historische Stadtführungen und andere Events immer mehr Touristen aus nah und fern an. Unsere 1075 Jahre alte Hoffmannstadt präsentiert sich dabei einzigartig, charmant und gastfreundlich. Dennoch braucht es auch bei uns immer neue Anstrengungen, um die Geschlossenheit der historischen Altstadt zu bewahren. In der Bahnhofstraße klafft momentan eine unübersehbare Lücke. Der Abbruch eines Fachwerkhauses im August konnte hier leider nicht verhindert werden. Es stand nicht unter Denkmalschutz. Sicher wird an seiner Stelle ein neuer, attraktiver Bau entstehen. Ein historisches Haus wird er dennoch nicht ersetzen können. Umso bedeutungsvoller ist nun unsere neue Satzung für schützenswerte Bereiche wie die Altstadt Fallersleben. Und ein kluger Kopf sagte mal: Geschichte ist nicht nur Geschehenes, sondern auch Geschichtetes!“ (bc)